„Wie schön, dass auch hier alles seinen eigenen Platz und seine eigene Bestimmung hat…“
Erstaunt schauen Sam und ich zu Leandra hinauf, die ihre Hand langsam über das Moos streifen lässt. Die Schatten der Bäume malen ein Muster auf den Stein, das Moos und die zarte Hand der eleganten Frau.
„Wie meint ihr das, eure…“
Jedoch kommt Sam nicht dazu, weiter zu sprechen. Ein Einhalt gebietender Blick zusammen mit einer auffordernden Handbewegung von Leandra, lassen Sam augenblicklich verstummen.
„Für dich, Samantha“ sagte sie mit einer besonderen Betonung auf Samantha „bin ich nur Leandra, solange wir hier sind…“
Ein warmes Lächeln liegt auf den edlen Zügen, die von den blonden Locken umrahmt werden. Ich bewundere dieses Lächeln, das so viel Wärme ausstrahlt. Leandras Augen ruhen einen Moment auf Sam, bevor sie zurück zu dem Moos wandern.
„Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und wo Schatten ist, ist auch Licht. Ist nicht allein diese Tatsache beruhigend? So sehr unsere Welten sich auch unterscheiden mögen, beide haben sie Licht und auch Schatten. Doch gewiss haben sie darüber hinaus noch weitere Gemeinsamkeiten.“
Ihre Finger streichen weiter über das Moos, während sie sich, nun mit langsamen und bedachten Bewegungen, zu Sam und mir umdreht und uns beide einen Augenblick lang mustert, als wolle sie sicher gehen, dass wir ihr auch zuhören. Oder vielleicht sogar, dass wir es auch verstehen?
„Manche Dinge brauchen den Schatten, so wie andere Dinge das Licht brauchen. Und jedes Lebewesen, jede Pflanze, ja sogar die Steine, alle brauchen diese Gegensätze, Licht und Schatten, Hell und Dunkel, Leben und Tod, Wachstum und Zerfall. Ohne das eine weiß man das andere nicht zu schätzen…“
Ihr Lächeln wirkt der Welt entrückt. In diesem Moment ist sie so weit entfernt, so bei sich selbst und ihren Gedanken. Einen Moment hänge ich meinen Gedanken nach, versuche zu verstehen, was Leandra sagt und ihre Worte zu begreifen.
„Ihr habt so Recht, eure… äh… ich meine Leandra….“
Ich blicke auf zu Sam, die nun neben Leandra schwebt und ebenso das Moos berührt. Diese Stumme Bewunderung und diese einstimmige Ruhe ist wahrlich verzaubernd. Ich lächle, trete langsam zu den Steinen und berühre ebenfalls das leicht feuchte Moos mit meinen Fingerspitzen, lasse mich einfach von der Stimmung treiben.